London: Die Zeit ist reif

London

Londons zahlreiche Reize sind weltberühmt – ebenso wie seine hohen Immobilienpreise. Nachdem sich Großbritannien 2016 für den Ausstieg aus der Europäischen Union entschieden hat, hatten viele das Gefühl, der Markt sei am Umkehrpunkt angelangt. Die Bausparkasse Nationwide war eine von vielen Autoritäten, die einen Rückgang der Londoner Immobilienpreise für 2017 deklarierten – zum ersten Mal seit 2009. Doch während Immobilienmakler ihre Schätzungen nach unten revidieren und Käufer ein Wartespiel spielen, lobpreisen viele die Resilienz einer Stadt, die sich immer wieder als Stehaufmännchen erwies. Angesichts der einmaligen Architektur-, Kunst- und Kulturschätze sowie der Fülle an Restaurants und Nachtleben – ganz zu schweigen von der guten Laune, die sich durch alle Straßen zieht – ist der esitz einer Immobilie in der britischen Hauptstadt für viele Menschen aus aller Welt nach wie vor ein Traum.


 

 





 



 

 

 

 

Denkräume

Mit über 1.500 Galerien und vielen kaufkräftigen Kunstliebhabern blüht und gedeiht die Londoner Kunstszene. Die Einwohner sind sehr stolz auf ihren kostenlosen Zugang zu dieser Form der hohen Kultur – unvergleichliche Sammlungen sind eintrittsfrei in der National Gallery, der Tate Britain und der Tate Modern, der National Portrait Gallery, der Galerie White Cube Bermondsey und an zahlreichen anderen Ausstellungsorten zu bewundern. Die Tate Modern, die in einem atemberaubenden früheren Kraftwerk am South Bank ihren Platz gefunden hat, ist ein Symbol für Londons Wiedergeburt als globale Stadt. Doch mit der Öffnung ihrer riesigen Türen im Jahr 2000 war noch lange nicht Schluss.

Im  Dezember 2016 erwartete die Besucher eine riesige Erweiterung der Ausstellungsfläche. Sie umschloss umgebaute Öltanks aus dem ehemaligen Kraftwerk sowie einen neu gebauten zehnstöckigen Turm, der von den Architekten Herzog & de Meuron entworfen und nach einem der wichtigsten Wohltäter, dem anglo-ukrainischen Milliardär Sir Leonard Blavatnik benannt wurde. Und auch über die Geschichte Londons kann man sich in verschiedenen Museen einen Überblick verschaffen – in vielen ebenfalls kostenlos. Das vielleicht renommierteste darunter ist das British Museum mit seinen zahlreichen Schätzen, die während der jahrhundertelangen Kolonialzeit hier zusammengetragen wurden. Zu den umstrittenen Exponaten gehören hier die sogenannten Elgin Marbles, Marmorskulpturen und -fragmente, auf die Griechenland bis heute Anspruch erhebt. Das Museum wurde 1753 gegründet, ist aber erst seit 1998 an seinem jetzigen Standort zu finden. Sein Innenhof, der Queen Elizabeth II Great Court, wurde 2000 als der größte überdachte Innenhof Europas eingeweiht.

Der Spieß hat sich gedreht

Über englisches Essen hat sich früher die ganze Welt lustig gemacht. Doch in den letzten Jahrzehnten hat sich vieles in Londoner Küchen geändert. Neben günstigen Lokalen und indischen und italienischen Restaurants gibt es jetzt eine Vielzahl von Gaumenfreuden zu entdecken – von Edelrestaurants und Fusion bis hin zu Street Food und kreativen Pop-ups. Viele Pubs, in denen früher nur Ale und Hausmannskost wie Fish and Chips serviert wurden, haben nicht nur ihre Teppiche rausgerissen und die Holzdielen geschliffen, sondern auch ihre Speisekarten mit frischen Produkten vom Land und Craft Ales aufgewertet. In London gibt es jetzt rund 30.000 Gastronomiebetriebe und 67 Restaurants mit Michelin-Sternen. Damit steht die Stadt weltweit an siebten Stelle auf dieser Skala. Selbst vor den alten Klassikern hat der konstante Neuerfindungsgeist der Hauptstadt nicht Halt gemacht: Dishoom ist eine gehobene Gastronomiekette, die der indischen Küche eine neue Note verliehen hat – inspiriert von den persischen Cafés, die früher in Bombay für Abwechslung sorgten. Die Gastronomie ist ein hartes Geschäft und die Fluktuation enorm. Daher lohnt es sich, bei einem Spaziergang durch Sohos Agenturbezirk an einem Werktag zur Mittagszeit in eines der Lokale einzukehren, die schon länger am Ort sind. Hier bekommt man dann auch gleich einen guten Einblick in die neuesten Trends.

Vom globe zu global

Drama und Performance erfüllen die Straßen der Hauptstadt – von den gellenden Rufen der Pub-Wirte bis zu den Witzen und Sticheleien, die man von Busfahrern zu hören bekommt. Die Tradition geht weit in die Vergangenheit zurück. In den 1500er Jahren pflegten Schauspieler ihre Stücke in Biergärten und anderen Plätzen aufzuführen – bis im Jahr 1576 Londons erstes Theater in der Nachbarschaft von Shoreditch eröffnet wurde. Als die Theaterleitung nach einem Streit wegen des Pachtvertrags ihr Theaterhaus abbaute, um damit an einen anderen Ort auf der anderen Seite der Themse in Southwark umzuziehen, erwarb William Shakespeare Anteile an der neuen Schaubühne. Im Globe Theatre wurden Shakespeares eigene Stücke vor einem lärmenden Publikum mit Leben erfüllt – und heute kommen Zuschauer in Scharen, um dieselben Stücke in einem Nachbau des Theaters an genau derselben Stelle zu erleben. Für zeitgenössischere Kost steuern London-Besucher heute gern eines der vielen Theater im West End an, um sich eines der ständig ausverkauften Musicals von Cats bis Book of Mormons anzusehen, während Touristen und Londoner gleichermaßen lange im Voraus buchen müssen, um bei einer der gefeierten Bühnenproduktionen in Häusern wie dem National Theatre an Londons South Bank dabei sein zu können. Die Avantgarde unter den Schauspielern und Autoren zieht es hingegen zu kleineren Bühnen an zahlreichen Schauplätzen am Stadtrand, weg vom West End, z. B. dem King’s Head Theatre Pub in Islington.

Eine neue Ära

Die neuesten Entwicklungen sowohl auf politischer als auch politischer Ebene haben Sorge bei den Investoren ausgelöst – scheinen sie doch das Ende der Londoner Dominanz einzuläuten. Das Wachstum in Großbritannien hat sich verlangsamt. Einige Unternehmen haben nach dem Brexit ihren Umzug nach Dublin, Frankfurt oder in andere wichtige europäische Städte angekündigt. Bürger der EU denken über neue Möglichkeiten nach und auch viele britische Bürger haben die Stadt verlassen, um sich anderswo niederzulassen.

Doch trotz dieser Omen können sich nur wenige vorstellen, dass London seine Power und sein Prestige als globale Stadt verliert. London ist und bleibt die mit Abstand wichtigste Stadt einer riesigen Wirtschaftsmacht im Gleichgewicht zwischen Europa und den USA. Die Sprache und eine Konzentration von Geld und Kompetenz haben die Stadt zu einem Key Player in der internationalen Finanz- und Dienstleistungsindustrie aufsteigen lassen. Der Investitionsfluss aus den USA ist ungebrochen und die Universitäten der Stadt gehören nach wie vor zu den Spitzenreitern auf dem Gebiet Bildung und Wissenschaft. Zudem sind rund 40.000 Tech-Unternehmen in London eingetragen. Dabei gibt es einen Aspekt, der stärker ist als alles andere – die Romantik. Für Menschen auf der ganzen Welt ist und bleibt London eine magische Stadt. Die immense weltweite Popularität königlicher Geburten und Hochzeiten ist dafür exemplarisch. Dazu kommt eine allgemeine Liebe für die Musik, Mode, Kunst und Kultur der Stadt. Und da sich der berüchtigte Londoner Immobilienmarkt gerade abkühlt, könnte dies genau die richtige Zeit für einen Einstieg sein.

Eine lange Geschichte

London ist heute eine imposante Melange der unterschiedlichsten Einflüsse. Und die bewegte Geschichte der Stadt zeigt, dass sie immer wieder von ihren Besuchern geprägt wurde. Die Römer gründeten die Stadt Londinium im Jahr 43. Es folgten Invasionen der Angeln, Sachsen, Jüten, Wikinger und Normannen, die alle ihre eigene Kultur in den Schmelztiegel einbrachten. Erst anfangs des 16. Jahrhunderts schickte sich Großbritannien an, einen Platz auf der Weltbühne zu erobern, was London zu einer Stadt von globaler Bedeutung machte. Die ersten Boote zogen die Themse hinauf und brachten Waren aus Indien, Amerika und der ganzen bekannten Welt mit. Im 19. Jahrhundert ermöglichten die Reichtümer des Empire den Bau des britischen Parlaments, der Houses of Parliament, im Jahr 1834 und anderer Wahrzeichen, die heute noch stehen. Die rapide Industrialisierung ließ die Bevölkerung der Stadt sprunghaft von 1 Million im Jahr 1800 auf 6,9 Millionen im Jahr 1900 in die Höhe schnellen. London war nun die bevölkerungsreichste Stadt der Welt. Die massive Zerstörung durch die deutsche Luftwaffe während der Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg war zwar traumatisch, eröffnete aber den Städteplanern der Nachkriegszeit eine Fülle von Möglichkeiten. Ihr Drang nach Modernität manifestierte sich in ehrgeizigen Immobilienprojekten: Ein berüchtigtes Beispiel dafür war die brutale Konstruktion des Sozialwohnungskomplexes Heygate Estate, der 2014 abgerissen wurde

Die Stadt im 21. Jahrhundert

Regeneration ist die jüngste Phase in Londons städtischer Entwicklung. Auf den Ruinen der der alten Nachkriegsstadt wurden neue Bauten hochgezogen – manche davon nicht mehr als Stückwerk, andere umwerfende Projekte. Eines der bekanntesten Projekte waren die Docklands am Südostufer der Themse. In den 1990er-Jahren erlebte Großbritannien dank Britpop und der Künstlergruppe Young British Artists sein Comeback auf der Weltbühne. Es ist kein Zufall, dass Damien Hirst und Co. im Jahr 1988 ein verlassenes Lagerhaus im Londoner Hafenviertel als Veranstaltungsort für ihre erste Kunstausstellung wählten. Mit der Kunst kommt das Geld – etwas weiter östlich stieg das neue Bankenzentrum Canary Wharf in den 1990ern zum Rivalen der City, des Londoner Finanzdistrikts, auf. Auch wenn mit der Eröffnung des Millennium Dome anlässlich der Silvesterfeierlichkeiten zum Jahr 2000 ein Höhepunkt erreicht schien: Die Entwicklung hörte damit nicht auf. Das Wembley-Stadion, die nationale Sportarena, in der England im Jahre 1966 seinen einzigen Fußballweltmeisterschaftssieg errang, wurde durch ein neues Stadion ersetzt. Sein riesiger Stahlbogen ziert seit 2007 die Skyline der Stadt. Damit fiel gleichzeitig der Startschuss für Neuentwicklungsprojekte in Brent, im Nordwesten Londons. Der Umwandlung von St. Pancras in einen internationalen Bahnhof schloss sich eine Runderneuerung für Kings Cross an. In dem zentral gelegenen Bezirk, der früher als Rotlichtviertel bekannt war, gibt es heute schicke neue Wohnhäuser, Restaurants und Kulturzentren. Und sogar eine neue Postleitzahl: N1C. Neue Häuser erfordern neue Verkehrsanbindungen. So wurden in den 2000er Jahren die Docklands Light Railway und in den 2010er Jahren das Eisenbahnnetz der London Overground des Stadtteils Hackney erweitert. Durch die Einrichtung der Möglichkeit zum kontaktlosen Bezahlen mit Karte an den Zugangsschranken konnte der Fluss im Londoner Verkehrsnetz, das Berichten nach 1,37 Mrd. Menschen befördert, deutlich verbessert werden.